Kampf für Covid-19-Impfopfer

Impf- und Medizinrecht

Anja Dornhoff

Ihre Rechtsanwältin für Impf- und Medizinrecht

»Die Leute werden von Ärzten zum Teil nicht ernst genommen«

 

Die Anwältin Anja Dornhoff vertritt mutmaßliche Covid-19-Impfopfer, die Entschädigung vom Staat und Schadensersatz von den Pharmakonzernen verlangen. Hier sagt sie, was sie ihren Klienten rät und welche Erfolgschancen sie haben.

 

Ein Interview von Maik Großekathöfer und Katja Thimm

Anja Dornhoff, 57 Jahre alt, hat Impfschäden zum Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. Als sie vor etwa 25 Jahren anfing zu arbeiten, war das eine Nische, in die sie eher zufällig geriet, wie sie sagt.

 

Sie schaltete damals eine Anzeige in der Lokalzeitung und informierte darüber, dass sie die Zulassung als Anwältin erhalten hat, dass sich ihre Kanzlei in Kirchen im Siegerland befindet und wie man sie kontaktieren kann. Wenig später meldete sich eine Selbsthilfegruppe für impfgeschädigte Menschen bei ihr, die seinerzeit in der Region ansässig war und eine Anwältin suchte, die sie vertritt.

 

Sie kämpft seitdem für Mandantinnen und Mandanten, die mutmaßlich einen Impfschaden erlitten haben, nach Einzel- und Mehrfachimpfungen. Jetzt beschäftigt sie vor allem die Impfung gegen Covid-19.

Das Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland auch die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen überwacht, zählte bislang rund 333.500 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, viele harmlos, und etwa 50.800 Verdachtsfälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen, in der Regel von Ärztinnen und Ärzten gemeldet. Anja Dornhoff hält die Zahlen bei gut 190 Millionen verimpften Dosen für zu niedrig.

 

 

DER SPIEGEL

SPIEGEL: Frau Dornhoff, wie viele Mandantinnen und Mandanten vertreten Sie, die erreichen wollen, als Geschädigte einer Covid-19-Impfung anerkannt zu werden?

Dornhoff: Mehr als 120. Es sind Frauen und Männer, junge Menschen und alte, mit Vorerkrankungen und ohne. Sie kommen aus allen Teilen des Landes. Viele haben lange gebraucht, um über ihren möglichen Impfschaden reden zu können.

SPIEGEL: Wieso?

Dornhoff: Weil sie stigmatisiert werden. Wer nach der Impfung etwa an einem Erschöpfungs- oder Post-Vac-Syndrom leidet, hört von Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen: Jetzt reiß dich zusammen, dann musst du eben mehr schlafen, dann bist du wieder fitter. Die Gesellschaft will solche Krankheitsbilder nicht verstehen.

Watte im Kopf, Taubheitsgefühl, Herzprobleme, Kurzatmigkeit

SPIEGEL: Welche Möglichkeiten haben die Menschen, um zu versuchen, für ihre mutmaßlichen Impffolgen eine Entschädigung zu bekommen?

Dornhoff: Wenn der Impfschaden sie länger als sechs Monate beeinträchtigt, können sie einen Antrag auf Versorgung stellen. Je nach Grad der Schädigungsfolgen hat der Betroffene Recht auf eine monatliche Grundrente zwischen 164 und 854 Euro. Zusätzlich kann auch ein Berufsschadensausgleich geltend gemacht werden. Und die Betroffenen können vom Hersteller der Impfstoffe Schadensersatz fordern.

SPIEGEL: Wie schwierig ist es, als Geschädigter nach einer Covid-19-Impfung anerkannt zu werden?

Dornhoff: Schwierig. Bei der Schweinegrippeimpfung zum Beispiel gab es im Wesentlichen eine sehr schwere Folgeerkrankung, nämlich die Narkolepsie. Bei der Covid-19-Impfung klagen die Leute über zahlreiche gesundheitliche Schäden, über ein Feuerwerk von Symptomen. Jemand erhält eine Immunisierung und hat kurz darauf Watte im Kopf, er kann nicht mehr klar denken. Jemand anderes bekommt Herzprobleme oder wird kurzatmig. Plötzlich kann der Betroffene seinen Arm nicht mehr heben, die Muskeln tun furchtbar weh, er hat ein Taubheitsgefühl und spürt ein Kribbeln, die Betroffenen reden von »Ameisenlaufen«. Die Menschen sind unendlich müde. Es zeigt sich eine diffuse Symptomatik, und es gilt einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen. Nicht so kompliziert ist es etwa bei einer Immunthrombozytopenie, bei der eine Autoimmunreaktion zu einem Mangel an Blutplättchen führt. Die kann ein Arzt eher gut belegen.

»Ich empfehle den Menschen, die meinen, einen Impfschaden erlitten zu haben, alle Beschwerden von einem Arzt dokumentieren zu lassen, auch wenn er die Kopf- oder Muskelschmerzen vielleicht gar nicht für so schlimm hält.«

SPIEGEL: Was raten Sie Ihren Klientinnen und Klienten?

Dornhoff: Ich empfehle den Menschen, die meinen, einen Impfschaden erlitten zu haben, alle Beschwerden von einem Arzt dokumentieren zu lassen, auch wenn er die Kopf- oder Muskelschmerzen vielleicht gar nicht für so schlimm hält. Die Leute werden zum Teil von Ärzten nicht ernst genommen, das ist ein Riesenproblem. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl renommierte Fachmediziner, die in ihren Diagnosebericht schreiben: »Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Erkrankung auf die Covid-19-Impfung zurückzuführen«. Andere schreiben: »Zustand nach Covid-19-Impfung«. Das ist auch schon gut. Manche formulieren: »Es besteht die Möglichkeit, dass die Erkrankung durch die Impfung ausgelöst wurde.« Juristisch reicht die Möglichkeit aber nicht aus.

SPIEGEL: Wie genau läuft es ab, wenn jemand einen Antrag auf Versorgung stellt?

Dornhoff: Im besten Fall füllen wir den Antrag gemeinsam aus. Wenn sie nämlich einmal einen Fehler machen, kriegen sie den nie wieder aus der Akte. Sie können aussagekräftige Befunde beilegen, denn die Versorgungsämter fordern im Prüfverfahren auch Unterlagen von den Krankenkassen, Patientenakten und Arztbriefe an. Die Ämter haben auch eigene Ärztinnen und Ärzte.

»Es ist mitunter hanebüchen, mit welcher Begründung die Ämter Anträge ablehnen.«

SPIEGEL: Bislang lehnen die Versorgungsämter die meisten Anträge ab. Warum?

Dornhoff: Ganz einfach – die Versorgungsämter haben anscheinend kein Interesse daran, die Fälle anzuerkennen, weil es für den Staat teuer werden kann. Das Problem besteht seit Jahrzehnten. Es ist mitunter hanebüchen, mit welcher Begründung die Ämter Anträge ablehnen.

SPIEGEL: Was machen Sie nach einem negativen Bescheid?

Dornhoff: Dann lege ich Widerspruch ein. Wird der auch zurückgewiesen, bleibt nur noch der Gang vor die Sozialgerichte. Außergerichtlich und im Klageverfahren arbeite ich auf Honorarbasis, also für einen vorher festgelegten Betrag. Ich rate meinen Mandantinnen und Mandanten, den Weg gegenüber dem Pharmakonzern nur zu gehen, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Oder sie sind finanziell gut aufgestellt.

SPIEGEL: Warum das?

Dornhoff: Bei den Zivilgerichten richten sich die Anwaltsgebühren und Gerichtskosten nach dem Streitwert, der bei schweren Gesundheitsschäden entsprechend hoch ist. Es kommen noch Gutachterkosten hinzu. Dafür muss man schon mit mindestens 3000 bis 5000 Euro rechnen.

Manchmal sind juristische Schritte nicht sinnvoll

SPIEGEL: Gibt es Fälle, die Sie ablehnen?

Dornhoff: Es kann durchaus sein, dass ich ein Mandat nicht annehme, weil ich denke, wir kriegen keine gute Zusammenarbeit hin. Ich gebe den Leuten ja Aufträge. Es gibt Frauen und Männer, die mir ihre Symptome schildern, und da weiß ich einfach, die haben ein Chronisches Fatigue-Syndrom, die Erzählungen gleichen sich so sehr, da kann ich eine Schablone drauflegen. Ich empfehle ihnen, Fachärzte aufzusuchen, um ihre Symptome dokumentieren und eine Diagnose erstellen zu lassen. Manchmal ist mir auch klar, dass es juristisch nicht sinnvoll ist, Versorgung zu beantragen.

SPIEGEL: Wann zum Beispiel?

Dornhoff: Da hat jemand seit Kurzem ein Guillain-Barré-Syndrom, eine sich ausbreitende Lähmung. Wenn die Impfung aber schon 200 Tage her ist, scheitern wir beim Amt bereits am Zeitintervall.

SPIEGEL: Kommt es vor, dass jemand zu Ihnen kommt und sagt: Frau Dornhoff, seit ich geimpft bin, habe ich irrsinnige Kopfschmerzen, und es rumort im Bauch – und Sie haben das Gefühl, es ist gar kein Impfschaden?

Dornhoff: Das kommt auf die Schilderung der Symptome an, aber schon an der Art und Weise, wie er oder sie erzählt, kann ich mir in der Regel ein Bild machen.

SPIEGEL: Sind Sie eigentlich gegen Covid-19 geimpft?

Dornhoff: Bin ich. Obwohl ich fürchterliche Angst davor hatte. Das war für mich ein ganz großes Thema, weil ich so viel mit Impfschäden zu tun habe. Mein persönliches Motiv, mich impfen zu lassen, war meine Mutter. Sie ist 80 Jahre alt, ich besuche sie täglich, und ich hatte damals Sorgen, dass ich das Virus in ihr Haus trage. Ich habe die Impfung, wie die meisten Menschen, gut vertragen. Heute ist bekannt, dass auch Geimpfte Träger des Virus sein können.